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GEDENKWOCHE 1918/1938/2018

Freier Eintritt zu allen Veranstaltungen!

SONNTAG, 4. November 2018

18.30 Uhr: Eröffnung der Gedenkwoche
durch Bürgermeister Hans Stefan Hintner und Kulturstadtrat Stephan Schimanowa mit der Ausstellung der Bildenden Künstler Jörg Zaunbauer, Chris Dematté, Rainer Voltmann, Philipp Heckmann, Deniz Hasenöhrl und Norbert Stock im Foyer, Zuschauerraum und Hinterbühne des Stadttheaters. Gezeigt werden Gemälde, Fotografien, Objekte und Installationen unter dem Titel „Zum Schweigen fehlen uns die Worte“. 

19.30 Uhr: „Die Wannseeprotokolle“
Von der Ausgrenzung zum Völkermord.

Szenische Lesung mit dem Ensemble des Stadttheaters

Es begann nicht mit den Gaskammern. Es begann mit subtiler Diskriminierung, kleinen Schikanen, gesetzlichen Einschränkungen, Ausschluss vom Öffentlichen Leben, Entwürdigung, dann deutlich mit den Novemberpogromen und dem gelben Stern. In Deutschland langsam ab der „Machtergreifung“ 1933, in Österreich offener sofort nach dem „Anschluss“. Aber der entscheidende Schritt zum industriellen Völkermord in einer vorher nie dagewesenen unglaublichen Weise wurde in einer eleganten Villa am Berliner Wannsee getroffen: Beamte der Ministerien, Parteifunktionäre und Führer des Polizei- und Sicherheitsapparates des Naziregimes trafen sich zu einer Arbeitssitzung mit Erfrischungen, um die organisatorische Seite des Holocausts zu klären. Die Protokolle dieser Sitzung sind ein beklemmendes Zeugnis, wie das Unfassbare mit deutscher Gründlichkeit in einen Verwaltungsvorgang rationalisiert, die Ermordung von Millionen Menschen zwischen Kaffee und Kuchen abgehakt wurde.

 

MONTAG, 5. November 2018

18.00 Uhr:  Ausstellung zugänglich

19.30 Uhr: „Ein ganz gewöhnlicher Jude“.
Stück von Charles Lewinsky, Regie: Erhard Pauer, Es spielt: Jörg Stelling

„Wir behandeln im Sozialkundeunterricht gerade die Juden“, schreibt ein gutmeinender Lehrer an die jüdische Gemeinde. „Nur kenne ich leider keinen Juden persönlich, und deshalb wäre es nett, wenn Sie mir einen vorbeischicken könnten, der den Schülern was erzählt.“ Dieser Brief erreicht den Journalisten Emanuel Goldfarb. Für ihn ist es klar, dass er der Einladung keine Folge leisten wird; er hat keine Lust, sich von einer Schulklasse bestaunen zu lassen. Der Versuch, seine Absage nicht nur zu formulieren, sondern auch zu begründen, gerät ihm zur Generalabrechnung mit der Situation der Juden im Land der Täter seit dem Holocaust. Wortreich, pointiert und manchmal zynisch beschreibt er das Spannungsfeld zwischen altem Antisemitismus und neuer politischer Korrektheit – und dabei möchte Emanuel Goldfarb doch nichts lieber sein, als „Ein ganz gewöhnlicher Jude“.

21.00 Uhr: Kino: „38 – auch das war Wien“
Regie: Wolfgang Glück, Buch: Friedrich Torberg (Österreich 1988) mit Sunnyi Melles, Lotte Ledl, Tobias Engel

Die junge Schauspielerin Carola Hell steht 1938, kurz vor Hitlers Einmarsch in Österreich, am Anfang einer glänzenden Karriere. Sie glaubt, ihre Liebe zu dem jüdischen Schriftsteller Martin Hoffmann unpolitisch leben zu können. Deshalb ignoriert das Paar zunächst die politischen Veränderungen im Land. Doch der Faschismus läßt ihnen keine Chance…  „38“ wurde für den Oscar als bester nichtenglischsprachiger Film nominiert.

 

DIENSTAG, 6. November 2018

10.30 Uhr: Schülervorstellung „38 – auch das war Wien“
anschließend Schülergespräch

18.00 Uhr: Ausstellung zugänglich

19.30 Uhr:  „Weit von wo?“
–  Der „Anschluss“ in Mödling und Wien und die Emigration im Augenzeugenbericht.

Zeitdokumente und literarische Texte von Albert Drach, Leo Perutz, Friedrich Torberg, Carl Zuckmayer u.v.a.
Lesung mit Mitgliedern des Stadttheaters Mödling. Leitung: Christoph Prückner

Im Gegensatz zu den Juden im „Altreich“, die 1933 oft gehofft hatten, dass „Hitler sie schon nicht fressen wird“, wussten Juden und Regimegegner in Österreich 1938 ganz gut Bescheid, was sie nach dem „Anschluss“ zu erwarten hatten. Dennoch war Flucht nicht für alle eine Option. Es werden biographische und literarische Zeitzeugnisse vorgestellt, in dem bekannte Schriftsteller vom Untergang Österreichs, dem Verhalten ihrer bisherigen Freunde und Nachbarn, den Schwierigkeiten des Entkommens und ihrer gespaltenen Haltung zu „Gehen oder Bleiben“ berichten.

21:00 Uhr: Film: An uns glaubt Gott nicht mehr“
von Axel Corti (Österreich 1982)

mit: Johannes Silberschneider, Fritz Muliar, Armin Mueller-Stahl

Der 16-jährige Wien Jude Ferry entschließt sich1938  zur Flucht, als SS-Schergen seinen Vater in der ‚Kristallnacht‘ umbringen. Illegal schleicht er über die Grenze in die Tschechoslowakei und schlägt sich bis nach Prag durch. Dabei macht er die Bekanntschaft mit einer Reihe von Schicksalsgefährten, die er an den weiteren Stationen seiner abenteuerlichen Flucht wieder trifft. Der erste Teil von Axel Cortis Trilogie „Wohin und zurück“, die mit 18 internationalen Preisen ausgezeichnet wurde.

 

MITTWOCH, 7. November 2018

18.00 Uhr: Ausstellung zugänglich

19.30 Uhr: Ella Lingens-Rainer: Aus der Hinterbrühl nach Auschwitz
Peter Michael Lingens erzählt vom Leben seiner Mutter, der Widerstandskämpferin und KZ-Häftlingsärztin Ella Lingens-Rainer  und liest zusammen mit Eric Lingens aus ihrem Buch „Gefangene der Angst“. Moderation: Bruno Max

Die Ärztin und Juristin Ella Lingens- Rainer, aus großbürgerlicher Familie, wohnhaft in der Hinterbrühl,  half mit ihrem Mann nach dem „Anschluss“ jüdischen Freunden und Bekannten, das Land illegal zu verlassen. Als sie 1942 an einen Gestapospitzel geriet, wurde sie in ihrem Haus bei Mödling verhaftet, ihr Mann in eine Strafkompanie nach Russland geschickt und sie selbst nach Auschwitz deportiert, wo sie als Häftlingsärztin mit dem schrecklichen Dilemma leben musste, um viele  Menschenleben retten zu können, selbst Teil der Vernichtungsmaschine zu sein. Nach dem Krieg schrieb sie ihre Erinnerungen „Prisoners of Fear“- das in Österreich damals niemand verlegen oder lesen wollte. 1980 wurde sie in Israel zu einer der „Gerechten unter den Völkern“ ernannt. Ihr Sohn, der bekannte Publizist Peter Michael Lingens, der als kleines Kind bei ihrer Verhaftung anwesend war, brachte 2003, ein Jahr nach ihrem Tod, ihr Erinnerungsbuch in einer um viele Gespräche mit seiner Mutter erweiterten Fassung wieder heraus und wird zusammen mit ihrem Enkel, dem Schauspieler Eric Lingens daraus lesen und über diese ungewöhnliche Frau sprechen.

 

DONNERSTAG, 8. November 2018

18:00 Uhr: „Im Anschluss“ – Gedenkspaziergang mit Soundinstallation
Nach einem Konzept von Raphaela Edelbauer, Gaby Schätzle-Edelbauer und Corina Cinkl.

„Im Anschluss“ ist eine fünfteilige Soundinstallation, die Alltagsmomente aus dem Anschlussjahr und seine Folgen für die jüdische Gemeinde in Mödling erkundet. Die Zuhörer können dabei an den jeweiligen Orten des Geschehens 80 Jahre in der Zeit zurückreisen, und ähnlich den Stolpersteinen, hier jedoch im Hörspielformat, in die Geschichte des Ortes eintauchen. Die Loops,  die mit Zitaten, Geräuschen und Hörspielelementen arbeiten, sollen die Atmosphäre Mödlings kurz vor den Novemberpogromen spürbar machen.

Der Rundgang startet beim Mahnmal vor der ehemaligen Synagoge in der Enzersdorfer Straße 4, Die komplette Tour durch alle Stationen dauert in etwa eine Stunde und endet vor dem Stadttheater.

18.00 Uhr: Ausstellung zugänglich

19.30 Uhr: „Empfänger unbekannt“
– nach dem Briefroman von Kressmann Taylor

Szenische Lesung mit Klaus Braun und Valentin Neuser begleitet von Leo Roczek mit Paul Hindemiths Solo-Sonate für Cello, Op. 25, No. 3. Regie: Florin Mittermayr.

Bereits 1938 gelang Kressman Taylor mit der Brief-Novelle „Empfänger unbekannt“ ein Meisterwerk von verstörender Brisanz: Der aus dem Leben gegriffene Text verdeutlicht in bestechend klarer Sprache weit mehr über die Niederungen der menschlichen Wesensart im Faschismus, als so mancher historische Tatsachenbericht.

Die beiden alten Freunde Max Eisenstein und Martin Schulze haben im San Francisco der frühen Dreißiger-Jahre gemeinsam eine gutgehende Kunstgalerie aufgebaut. Als Martin nach Deutschland zurückkehrt und im NS-Staat Karriere macht, übernimmt der jüdische Max in den USA die Geschäftsleitung: Zwischen den beiden beginnt ein zunehmend befremdlicher Briefwechsel mit fatalem Ausgang …

 

FREITAG, 9. November 2018

18.30 Uhr: Gedenkakt beim Mahnmal
vor der ehemaligen Synagoge in der Enzersdorfer Straße 4.

19.30 Uhr:  Festakt und anschließend Gedenkkonzert
Ein konzertant-szenisches Programm mit Rupert Bergmann (Bassbariton/Rezitation) und Christoph Traxler (Klavier)

Ein Programm sowohl mit Bezügen zum Holocaust, zur Vertreibung von Juden durch den Nationalsozialismus, als auch – in mehrfacher Hinsicht – zu Mödling als Stadt der Künstler und Komponisten. Rupert Bergmann, der seit vielen Jahren in Mödling lebt, konzipierte diesen Abend und hat einzelne Teile des Programmes schon langjährig im Repertoire.

Konzert zum Gedenkjahr – das Programm:

  • Ernst Krenek (1900-1991), aus dem Reisebuch aus den österreichischen Alpen op.62 (1929); Motiv –  Friedhof im Gebirgsdorf  –  Unser Wein  – Entscheidung.
  • Ursula Erhardt-Schwertmann, 11 Gedanken – Aus den Aphorismen von Ruth Roschanz (2018, Uraufführung).
  • Arnold Schönberg (1874-1951), A Survivor from Warsaw, op.46 (1948) Version für Rezitation/Gesang und Klavier von Kurt Frederick.
  • Viktor Ullmann (1898-1944), Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke, Melodram nach dem Text von Rainer Maria Rilke, verfasst im KZ Theresienstadt  im Jahr 1944 kurz vor der Deportation nach Ausschwitz.

 

SAMSTAG, 10. November 2018

NOVEMBER NEUNZEHNACHTZEHN : Ende und Auftakt.

19.30 Uhr:  „Vom Kaiserreich zur Republik“
Kriegsende und Neubeginn 1918 auch in Mödling.  Kurze Einführung mit historischen Zeitungsartikeln und Briefen. Zusammenstellung: Bruno Max. Es lesen Mitglieder des Stadttheater-Ensembles.

20.00 Uhr: Film:  „3. November 1918“
– Verfilmung des Theaterstücks von Franz Theodor Czokor. Ein Film von Edwin Zbonek (Österreich 1965) mit Erich Auer, Hanns Obonnya, Fritz Muliar, Walter Kohut u.v.a.

Am 3. November 1918 kapitulierte die k.u.k. Armee und der Waffenstilstand zwischen Österreich-Ungarn und den Alliierten wurde unterzeichnet. Franz Theodor Csokor erzählt den Untergang des alten Österreich anhand einer Gruppe von Offizieren und Soldaten aller Dienstgrade und aus den unterschiedlichen Herkunftsländern der k. u. k. Monarchie.

In einem Lazarett in den Kärntner Karawanken, unweit der Isonzofront sind sie gemeinsam mit der Krankenschwester Christina von der Außenwelt abgeschnitten. Jeden zieht es in sein Herkunftsland, in seine Heimat. Als der Matrose und Kommunist Kacziuk die Nachricht vom Zusammenbruch Österreich-Ungarns überbringt, ist auch der Zerfall der Gruppe nicht mehr aufzuhalten. Die unterschiedlichen nationalen und politischen Ideologien sind nicht mehr vereinbar. Das Pulverfass, das schon die ganze Zeit gebrodelt hat, explodiert.

Oberst Radosin, der sich weigert, den Zusammenbruch der Monarchie zu akzeptieren und die neuen Grenzen anzuerkennen, begeht Selbstmord. Seine Leute erweisen ihm die letzte Ehre, dann gehen sie endgültig. Jeder in seine neue/alte Heimat. Nur Zierovitz, der Anwalt aus Krain und Ludoltz, der Bauer aus Kärnten bleiben. Sie müssen noch eine Rechnung begleichen. Ab Mitternacht werden die einstigen Kameraden Feinde sein und aufeinander schießen.

Der gespenstische Zerfall der Habsburgermonarchie und das Eindringen der sozialen und nationalen Ideologien in das dadurch entstandene Vakuum stehen uns heute wieder näher denn je. In Zeiten in denen die Begriffe „Heimat“ und „national“ populistisch missbraucht werden, wird Csokors Requiem auf das alte Österreich zu einer aktuellen Mahnung für die Gegenwart.

  • 4. November 2018